Igel – Zufütterung im Garten
Hallo Herr Ober?! – Ganzjährige Zufütterung ist ein Muss
Warum Zufüttern?
So wie Experten schon lange zur ganzjährigen Zufütterung von Vögeln raten, müssen wir auch unseren heimischen Igel unterstützen, wenn wir ihn vor dem Aussterben bewahren wollen. Die Situation ist wirklich dramatisch – für den Igel ist es 5 vor 12. Ganz besonders jetzt, wo die Tiere bereits viel zu früh aus dem Winterschlaf erwachen und verlorene Fettreserven auffüllen müssen, aber aufgrund der noch kalten Nächte noch keinerlei Insekten aktiv sind, sollte im heimischen Garten Futter für sie bereitgestellt werden. Auf das Aufwachen folgt die kräftezehrende Paarungszeit, die Geburt und Aufzucht der Welpen und schwupps ist es Herbst, wo sich sowohl Alt- wie auch Jungigel das lebensrettende Winterschlafgewicht anfressen müssen. Das alles bei einem Insektenrückgang von über 75% innerhalb der letzten Jahrzehnte, welcher durch wöchentliches Rasenmähen bis in die Tiefen der Hecken und das Pflanzen von nichtheimischen aber auch teilweise „naturunnützen“ Pflanzen wie dem Kirschlorbeer von uns Menschen gefördert wird. Aktuell ist es so, dass mehr als die Hälfte aller Jungigel aufgrund von Nahrungsmangel und Unterernährung ihren ersten Winterschlaf nicht überleben.
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Aufgrund des tragischen Insektenmangels – des Igels Hauptmahlzeit – mein inständiger Appell an alle Gartenbesitzer: Bitte füttert ganzjährig zu!
Aber ja, die Zufütterung ist das Eine, ein naturfreundlicher Garten das Andere. Denn: Umso natürlicher und abwechslungsreicher die Nahrung, umso gesünder der Igel. Was genau im eigenen Garten getan werden kann um den Igel auf natürliche Weise in seinem Wohn- und Essraum zu unterstützen, werden wir demnächst einen weiteren Artikel veröffentlichen.
Was (nicht) auf der natürlichen Speisekarte steht
Um den Speiseplan des nachtaktiven Igels ranken sich viele Mythen. Deshalb werfen wir zuerst einmal einen Blick auf all das, was vor allem aus gesundheitlichen Gründen KEINESFALLS auf der Igel-Speisekarte stehen darf. Igel sind z.B. noch laktoseintoleranter als Katzen und vertragen daher keine Milch – auch nicht spezielle Katzenmilch. Der Verzehr sorgt für schlimme Bauchschmerzen, Durchfall und Darmentzündung und kann bis zum Tod führen. Auch jede Art von Obst, Gemüse, Getreide, Haferflocken und Nüsse, z.B. in Form von Vogelfutter, verträgt der Igel nicht.
Erdnüsse bergen sogar die Gefahr, dass sie sich im Gebiss des Igels derart verkeilen, dass er gar nicht mehr fressen kann und kläglich verhungert. Schnecken und Regenwürmer gehören zwar zur natürlichen Nahrung des Igels, sind aber zunehmend verseucht mit schädlichen Parasiten wie Lungenwürmern und Darmwürmern. Frisst ein Igel aufgrund des Mangels an Alternativen übermäßig viele davon, und ist sein Immunsystem vielleicht sogar sowieso schon geschwächt, befallen die so aufgenommenen Würmer innere Organe, Lunge und Darm und sind unbehandelt mit die häufigste Todesursache.
Anatomisch gesehen hat der Igel einen sehr kurzen, ganz geraden Darm und benötigt daher hochproteinreiche Nahrung die sein Verdauungstrakt rasch verarbeiten kann und viel Eiweiß enthält. Das bietet dem Insektenfresser seine natürliche Hauptnahrungsquelle: Insekten – z.B. Käfer, Asseln, Spinnen, Engerlinge, Ohrwürmer, Raupen, Fliegenlarven und ähnliches. Des weiteren ist der Igel ein Fleischfresser weswegen auch frisches Aas, Frösche und sogar Mäuse auf seinem Speiseplan stehen, was ihn insgesamt zu einem überaus nützlichen Helfer im Garten macht.
Das Igel-Futterhaus
Wie bereits erwähnt, ist die natürliche Nahrung des Igels sehr mager, weswegen wir unbedingt zur Zufütterung der Igel durch ein spezielles Futterhaus mit Rattenklappen raten. Im Gegensatz zum Schlafhaus hat ein Futterhaus zwei Eingänge (Größe von 10 x 10 cm) mit Labyrinthgang und einer Futterkammer in der Mitte. Die beiden Eingänge werden beim Futterhaus benötigt um beim Zusammentreffen mehrerer Igel einen Fluchtweg zu ermöglichen. Labyrinth-Eingänge mit Rattenklappen helfen Ratten oder Katzen vom Innenbereich des Futterhauses fern zu halten.
Die hygienischere Variante ist ein Haus ohne Boden, welches einfach auf Zeitungspapier oder Gummimatten – wie sie auch für Katzen an der Futterstelle genutzt werden – gestellt wird. Das Zeitungspapier kann sehr einfach täglich gewechselt oder die Gummimatten mit dem Gartenschlauch abgespritzt werden.
Im Internet findet man neben dem Klassiker aus Holz auch viele kreative und preisgünstige Ideen zum Selberbauen, hierzu können z.B. auch Plastikboxen und die Winkel von Regenrohren verwendet werden. Bei Plastikboxen ist allerdings darauf zu achten, dass diese aufgrund der Witterung porös und gefährlich für die Tiere werden können. Bauanleitungen für Igel-Futterhäuser sind Im Internet zu finden.
Was zugefüttert werden kann
Und was servieren wir in unserem Igel-Restaurant? Bitte kein fertiges Igelfutter! Es enthält leider oft wenig Verwertbares für den Igel wie Getreide oder Obst und ist nebenbei auch schlichtweg zu teuer. Deshalb wird hochwertiges Katzen- oder Hundefutter mit einem mindestens 60%-igen Fleischanteil ohne Soße, Getreide und Zucker empfohlen. Aber auch in Wasser abgekochte Hühnerschenkel ohne Haut, gebratenes Rinderhack ohne Öl und Gewürze, schlotzig angebratenes Rührei ohne Öl und Gewürze und getrocknete, helle Soldatenfliegenlarven sind ein Schmaus für den Igel.
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Die folgend genannten Futtersorten des Unternehmens Josera werden von vielen Igelstellen aufgrund des hohen Fleischanteils, bzw. der ausgeschriebenen Inhaltsstoffe zur Zufütterung von Igeln empfohlen. Eine Haftung seitens des Förderverein NaU e.V. und auch von den Futterherstellern wird bei Zufütterung von Igeln ausgeschlossen.
https://www.josera.de/josera-filet-pures-huhn.html
https://www.josera.de/josera-filet-huhn-rind.html
https://www.josera.de/josera-filet-huhn-kalb.html
Die Bereitstellung des Futters sollte immer erst spätabends erfolgen und am besten mit einem kleinen Plastikpflanzuntertopf abgedeckt sein, sodass sich keine Fliegen (vor allem im Sommer) auf dem Futter verteilen, welche wiederum für Krankheiten sorgen können. Da Igel bei der Futtersuche sehr erfinderisch sein können, muss sich hier nicht darum gesorgt werden der Igel würde den Untertopf nicht von der Futterschale bekommen.
Das Futterangebot sollte in getrennten Näpfen serviert werden, denn die stacheligen Gäste sind oftmals etwas wählerisch und überhaupt Tiere mit Persönlichkeit! Leere Näpfe werden als Affront betrachtet, mit denen aus Protest schonmal geklappert wird. Zudem sind Igel überaus pünktliche Tiere, wie man im eigenen Garten sehr schnell feststellen kann. Nachlässiges Personal wird von den Stammgästen ungeduldig erwartet und gerne auch unwirsch zurechtgewiesen. Aber eines ist sicher: Das genüssliche Schmatzen eines zufriedenen Igels ist eines der schönsten Geräusche auf der ganzen Welt.
Außerhalb des Futterhauses sollte zudem ein Schälchen Wasser bereitgestellt werden, welches möglichst täglich gewechselt und gesäubert wird.
Reinigung des Futterhauses
Reviermarkierung gehört, wie bei vielen anderen Wildtieren, auch beim Igel dazu. Aufgrund dessen kommt es nicht selten vor, dass sie ihr Geschäft im Futterhaus verrichten, was wiederum eine regelmäßige Pflege des Restaurants nötig macht um Infektionen und Parasitenbefall zu vermeiden. Insbesondere bei warmen Temperaturen im Sommer sollte das Futterhaus sauber gehalten werden: Täglicher Wechsel von ausgelegtem Zeitungspapier, die Reinigung der Gummimatten (Alternative zu Zeitungspapier) aber auch dem Futterhaus an sich durch den Gartenschlauch und einer Bürste mit dem anschließenden Trocknen in der Sonne. Der Geruchssinn der Igel ist sehr intensiv, weswegen auf die Verwendung von reizenden Mitteln verzichtet werden muss.
Tagaktiver Igel im Futterhaus
Sollte ein Igel tagsüber gesichtet werden, ist das nicht normal und weist in 99 % der Fälle auf eine Krankheit oder Parasitenbefall hin. Dann sollte der Igel gesichert und von einer fachkundigen Stelle begutachtet, gegebenenfalls auch behandelt werden. Hierzu mehr im Artikel „Igel – Erste Hilfe, aber wie?“
Dieser Artikel hat seinen Ursprung bei Tanja Tonelli in Zusammenarbeit mit Wildtierhilfe Angelbachtal / Stephanie Weis.