Vögel – Tierhaare als Nistmaterial
Immer wieder kommt es vor, dass geraten wird Tierhaare von Hunden, Katzen, oder auch von uns Menschen als Nistmaterial im Garten, oder an Waldrändern abzulegen. Wildvögel würden sich darüber freuen, fänden sie doch kaum mehr Nistmaterial. Es ist leider tatsächlich so, dass es die Wildtiere aufgrund unseres modernen, sauberen Gartenverhaltens nicht mehr leicht haben – so auch die Vögel hinsichtlich des Nestbaus. Haare unserer Haustiere, oder auch die von uns Menschen sind für den Nestbau allerdings absolut nicht unbedenklich und können sogar zum Tode der Tiere führen.
Obwohl Wildvögel in der Natur auch Haare anderer Wildtiere aufgreifen tun sie dies allerdings nicht in den Massen, welche wir teilweise zur Verfügung stellen. Kirstin Zoller aus dem Kreis Pinneberg, Nähe Hamburg, ist in Sachen Wildvogelhilfe Einzelkämpferin und möchte über unser Lexika zu diesem Thema informieren und aufklären:
Meine dringende Bitte:
Entsorgt sämtliche Haare, egal wie kurz oder lang, weich oder fest immer absolut unzugänglich für Nistmaterial suchende Wildtiere im Restmüll! Haare im Nest bedeuten häufiger, als wir denken das Todesurteil für einzelne oder mehrere Küken oder auch Altvögel.
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Haare aus der freien Natur:
In der Natur finden sie auf ihrem Suchflug nach Nistmaterial offenbar mal ein Haarbüschel, mal ein Stück Moos, mal eine Feder und dann wieder dürre Zweige – und alles, was geeignet erscheint wird, wie ich beobachten durfte, miteinander durchmischt verbaut. Stehen massenweise Tierhaar leicht verfügbar zur Verfügung, werden diese genommen – und zwar fast ausnahmslos – das habe ich mittlerweile sehr oft beobachten dürfen. Der Unterschied, ob ich ein durchmischt gebautes Nest habe oder ein reines Tierhaarnest ist gewaltig. Das ist so ähnlich, als würde ich Beton anmischen wollen und die Mischverhältnisse von Zement, Zuschlagstoff und Wasser auf den Kopf stellen und mal eben den Zement fast vollständig weg lassen – das Ergebnis wäre ernüchternd.
Nachteile von Tierhaarnestern:
Wenn Haare fest verbaut und verwoben werden mit anderen Nistmaterialien, dann ist das Risiko, dass sie verschluckt werden oder zu Einschnürungen führen zumindest deutlich geringer, als wenn sie lose zusammengeknüllt sind. Bei Vogelarten, die freie Nester bauen, also auf einen stabilen Bau angewiesen sind, ist das Risiko nach meinen Beobachtungen auch geringer, denn hier werden immer andere Materialien mit den Haaren verwoben – hier machen vor allem Langhaare, die verbaut wurden und lang überstehen Probleme.
Bei Höhlenbrütern aber und besonders in den Nistkästen (Meisen, Sperlinge etc.) ist es völlig egal, was sie rein schleppen. Es muss nicht halten, denn es kann nicht zusammenbrechen. Und da werden eben überproportional mehr Haare in den Kasten geschleppt, als es geschehen würde, wenn die Vögel kein Zusatzangebot an Haaren bekämen zu den natürlichen Vorkommen.
Nachdem ich jede Saison mehrfach in den letzten Jahren diese Zusammenhänge beobachten und feststellen konnte, dass es um so mehr Kükenverluste gab, je reiner die Nistkästen mit Tierhaar gepolstert waren, habe ich die Konsequenzen gezogen und auch meine Reiter auf dem Hof angewiesen, die Pferdehaare (kurz wie lang) beim Putzen einzusammeln und auf dem extra angeschafften geschlossenen Komposter unerreichbar für die Vögel zu entsorgen.
Parallel habe ich bei der gärtnerischen Gestaltung des Naturgrundstückes auf das ständige Vorhandensein von viel Moos geachtet. Die Nistkästen weisen seither einen deutlichen Moos- und Gräserüberschuss im Verhältnis zu gesammelten Haaren auf und die Anzahl der ausfliegenden Jungtiere hat sich erhöht.
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Beobachtungen in der Wildtierstation:
Ich habe hier 14 Nistkästen, die für mich zugänglich sind.
Die Nistkästen, aus denen durchschnittlich 5-8 Nestlinge flügge wurden, waren bei der Herbstkontrolle überwiegend aus Moos und Gräsern und nur in geringerem Anteil mit Tierhaar bestückt. Die Nistkästen, aus denen weniger als 5 Nestlinge flügge wurden waren ausnahmslos Tierhaarnester. Zudem beobachte ich mehrfach im Jahr, dass Vögel einzelne Küken aus dem Nistkasten heraus tragen und “wegwerfen” – hier handelt es sich in der Regel um noch sehr junge (also für den Altvogel noch tragbare) Nestlinge. Die weggeworfenen Nestlinge sind entweder tot oder sehr schwach. Ursachen waren bisher (von denen, die ich gefunden habe, weil ich das Geschehen beobachtet habe) Verschnürungen/Abschnürungen mit Tierhaar, einmal eine Kropfverstopfung mit Tierhaar, Verstopfungen mit Erdnüssen und/oder Sonnenblumenkernen, Parasiten und in 4 Fällen konnte ich die Ursache nicht ausmachen.
Parallel bekomme ich in meine Station jede Saison primär Meisen und Spatzennestlinge, die Verschnürungen aufweisen oder Tierhaare verschluckt haben, die noch zum Schnabel raus schauen. Bei mir sind es mittlerweile (ich habe hier rund 300 Vögel pro Jahr mit unterschiedlichen Beschwerden/Ursachen für ihr Unglück) rund 10 – 20 Stück. Auffällig ist, dass fast alle aus vegetationsarmen Umfeldern oder aus sehr “aufgeräumten” Gärten stammen. Letzte Saison haben mir über die Hälfte der Finder der betreffenden Nestlinge auf Nachfrage bestätigt, dass sie Hunde- oder Katzenhaare für den Nestbau selbst anbieten und diese begeistert angenommen werden. Die übrigen Finder konnten nicht ausschließen, dass zusätzliche Haarangebote in der unmittelbaren Nachbarschaft stattfinden.
Probleme durch Spot ons etc.:
Ein weiteres Problem, welches zumindest als sehr wahrscheinlich für Todesfälle diskutiert wird, sind sythetische und biologische Wirkstoffe aus Antiparasitika (Spot ons) und Pflegemitteln, die Haustierhaaren anhaften und über die Haut oder über die Atemwege aufgenommen werden können.
Viele Wirkstoffe, egal ob synthetischer oder biologischer Natur, die bei Säugetieren harmlos sind, werden von einzelnen, mehreren oder allen Vogelarten nur sehr schlecht oder gar nicht vertragen. Besonders die ganz jungen, noch nackten Nestlinge sind hier sehr gefährdet, unverträgliche Wirkstoffe aufzunehmen. Im schlimmsten Fall können auch sie für das Versterben eines Nestlings verantwortlich sein.
Dieser Artikel hat seinen Ursprung bei Kirstin Zoller und dem auf ihrer Homepage verankerten Beitrag „Tierhaare als Nistmaterial – Brandgefährlich“.